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Rechtsanwalt Christian Kohlhaas
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Das Ermittlungsverfahren im Strafrecht - Was passiert überhaupt?

Mit dem Ermittlungsverfahren wird das Strafverfahren durch die Strafverfolgungsbehörde eingeleitet. Das sind insbesondere Polizei und Staatsanwaltschaft, wobei die Staatsanwaltschaft das Verfahren führt ("Herrin des Vorverfahrens").

Damit das Verfahren eröffnet wird, müssen die Ermittlungspersonen zunächst Kenntnis von der Straftat erlangt haben. Es muss ein sogenannter Anfangsverdacht vorliegen. Diese Hürde ist nicht besonders hoch. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass eine Straftat begangen wurde, ist der Verdacht begründet. Regelmäßig reichen dafür Strafanzeige oder Strafantrag aus. Die Behörde kann aber auch auf andere Weise von der vermeintlichen Straftat erfahren haben (zB durch die Medien).

Sobald sie Kenntnis erlangt hat, muss sie ein Ermittlungsverfahren einleiten. Sie hat kein Ermessen, sondern muss tätig werden. Der Beschuldigte weiß zu diesem Zeitpunkt oftmals noch gar nicht, dass gegen ihn Ermittlungen geführt werden. Das ändert sich spätestens, wenn ihm die Ladung zur Beschuldigtenvernehmung zugestellt wird. Damit ist offiziell, dass er in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden gerückt ist. Unabhängig davon, wie viel Wahrheit der Beschuldigung zugrunde liegt, ist die Situation sehr ernst und niemals zu unterschätzen.  

Ermittlungsverfahren - Dauer und Ablauf

Wie lange das Ermittlungsverfahren dauern darf, ist gesetzlich nicht konkret geregelt. Jeder Fall ist anders, sodass mal mehr und mal weniger Ermittlungen geführt werden. Umfangreiche Verfahren können eine lange Zeit beanspruchen. Zu beachten sind lediglich die Verjährungsfristen der jeweiligen Tat. Die Verjährung wird gemäß § 78c StGB allerdings unter anderem unterbrochen "durch die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe." Die Staatsanwaltschaft wird die Ermittlungen erst beenden, wenn sie zu der Meinung findet, dass der Sachverhalt ausermittelt ist. Abschließend trifft sie eine Entscheidung, ob und wie das Verfahren fortgeführt werden soll.

Bis eine Entscheidung feststeht, kann die Staatsanwaltschaft auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Ermittlungsmaßnahmen zurückgreifen. Obwohl sie als "Herrin des Vorverfahrens" bezeichnet wird, werden die Aufgaben häufig von der Polizei wahrgenommen. Ziel des Ermittlungsverfahrens sollte es sein, den Sachverhalt vollständig aufzuklären, den Täter zu ermitteln und sämtliche Beweismittel zu sichern.

Dass auch der "objektivsten Behörde der Welt", wie der spätere Generalstaatsanwalt Hugo Isenbiel die Staatsanwaltschaft schon im Jahr 1900 bezeichnet hat, durchaus etwas entgehen kann, ist gewissermaßen verständlich. Immerhin waren die Ermittlungspersonen während der Tat regelmäßig nicht anwesend, sodass es durchaus vorkommt, dass nicht sämtliche Beweismittel ausgewertet werden. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es, sowohl gegen als auch für den Beschuldigten zu ermitteln. Es ist bereits aus diesem Grund sehr vorteilhaft, rechtzeitig einen Strafverteidiger zu beauftragen. Notfalls erinnert er die Staatsanwaltschaft nämlich daran!

Zu den wichtigsten Maßnahmen während des Ermittlungsverfahrens zählen

- Beschuldigtenvernehmung
- Zeugenbefragung
- Sicherung von forensischen Beweismitteln (DNS-Proben, Fingerabdrücke etc)
- Erkennungsdienstliche Maßnahmen (zB Lichtbilder)
- Durchsuchungen von Privat- und Geschäftsräumen
- Überwachung der Telekommunikation
- Hinzuziehung von behördlichen oder gerichtlichen Auskünften

Ermittlungsmaßnahmen dürfen aber nicht willkürlich von Ermittlungspersonen durchgeführt werden. Das Gesetz ist häufig eindeutig und streng. Umgeht die Ermittlungsperson zB den Richtervorbehalt, stehen die dadurch gewonnen Ermittlungsergebnisse möglicherweise auf sehr wackeligen Beinen.

Zu prüfen ist der konkrete Einzelfall  =  IHR persönlicher Sachverhalt!

Das Ende des Ermittlungsverfahrens - Wie geht es weiter?

Ist die Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass der Sachverhalt keine weiteren Ermittlungen zulässt, trifft sie ihre Abschlussverfügung. Davon hängt ab, ob und wie das Verfahren fortgeführt wird.

Einstellung mangels hinreichendem Tatverdacht, § 170 Abs.2 StPO

Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren gemäß § 170 Abs.2 StPO einstellen. Von dieser Möglichkeit wird sie Gebrauch machen, wenn nach dem Ermittlungsergebnis kein hinreichender Tatverdacht gegeben ist. Hat sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt oder konnten die Ermittlungspersonen den Täter nicht ermitteln, wird das Verfahren durch Einstellung beendet. Ein weiterer Fall liegt vor, wenn der Beschuldigte zwar ausfindig gemacht werden konnte, einer Verfahrensfortführung hingegen ein Verfahrenshindernis entgegensteht (zB Strafverfolgungsverjährung).

Weitere Einstellungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft

Das Opportunitätsprinzip besagt, dass die weitere Strafverfolgung im Ermessen der Strafverfolgungsbehörde liegt. Neben der Einstellung mangels hinreichendem Tatververdacht bestehen noch weitere Möglichkeiten, das Strafverfahren durch Einstellung zu beenden.

- Einstellung wegen Geringfügigkeit gemäß § 153 StPO.
- Einstellung gegen Auflagen und Weisungen gemäß § 153a StPO.
- Teileinstellung bei mehreren Taten gemäß § 154 StPO.

Antrag auf Erlass eines Strafbefehls

Soweit eine (Teil-)Einstellung nicht in Erwägung gezogen wird, weil zB die Schuld nach Meinung der Staatsanwaltschaft zu schwer wiegt, kann sie beim zuständigen Gericht unter den Voraussetzungen des § 407 StPO den Erlass eines Strafbefehls beantragen.

Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft

Alternativ kann die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Strafgericht Anklage erheben. In diesen Fällen kommt eine Verfahrensbeendigung durch Strafbefehl nicht in Betracht, zB weil ein Verbrechen angeklagt wird. Sowohl im Strafbefehls- als auch im Anklageverfahren werden die Akten an das zuständige Gericht übermittelt. Damit endet zugleich das Ermittlungsverfahren.

Strafverteidiger im Ermittlungsverfahren | Rechtsanwalt Strafrecht

Das Strafverfahren hat begonnen - Chancen erkennen und nutzen!

Die berechtigte Frage ist, ob ein Strafverteidiger bereits im Ermittlungsverfahren hinzugezogen werden sollte. Immerhin kostet er Geld, und das Verfahren erledigt sich sicherlich von selbst. Und wenn nicht, kann ich immer noch tätig werden. Das ist leider eine weit verbreitete Meinung, die nachteilige Konsequenzen haben kann.

Richtig ist, dass ein Strafverteidiger nicht umsonst arbeitet. Er investiert allerdings als Gegenleistung seine Zeit und setzt sich methodisch für die Rechte des Beschuldigten ein. Als sein persönlicher Vertreter handelt er mit Kampf und Leidenschaft, um das Verfahren möglichst frühzeitig zum Ende zu bringen.

Sie wissen jetzt, dass die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren zB gemäß § 153 StPO (geringe Schuld und kein öffentliches Interesse) oder § 153 a StPO (unter Auflagen und Weisungen) einstellen kann. Teilweise ist zwar noch die Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts notwendig, aber daran scheitert es vergleichsweise selten. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob die Staatsanwaltschaft von diesen Einstellungsmöglichkeiten großzügig Gebrauch macht?

In der Regel ist die Hoffnung, dass sich das Ermittlungsverfahren von selbst regulieren wird, unbegründet. Es kommt sicherlich auf den konkreten Einzelfall an. Allerdings ist immer zu bedenken, dass die Ermittlungsbehörden ihrer Arbeit bereits mit Nachdruck nachgehen. Ob sie beispielsweise Kenntnis von entlastenden Beweisen haben, weiß der Beschuldigte regelmäßig gar nicht. Daran wird der Rechtsanwalt für Strafrecht mitwirken. In geeigneten Fällen wird er die Einstellung des Verfahrens mit einschlägigen Argumenten anregen (müssen).

Andernfalls kann das Ergebnis auch sein, dass der Beschuldigte plötzlich einen Strafbefehl oder die Ladung zur Hauptverhandlung vor dem Strafgericht in seinen Händen hält. Das Ermittlungsverfahren hat sich damit zwar tatsächlich erledigt, allerdings nicht auf die Art und Weise, die sich der Beschuldigte möglicherweise erhofft hat.

Es ist daher dringend anzuraten, so früh wie möglich einen Strafverteidiger zu kontaktieren. Im Ermittlungsverfahren werden die Weichen für den weiteren Verfahrenshergang noch gestellt. Der Rechtsanwalt für Strafrecht wird alles versuchen, um den weiteren Fahrplan aktiv mitzugestalten. Zur Wahrheit gehört, dass nicht jedes Verfahren eingestellt wird, bloß weil der Anwalt für Strafrecht ein paar juristische Zeilen verfasst. Entscheiden Sie selbst, ob Sie diesen Strohhalm dennoch ergreifen und für eine schnelle Erledigung der Angelegenheit zumindest kämpfen möchten.

Richtig ist, dass zu keinem Zeitpunkt die Chancen größer als im Ermittlungsverfahren sind, eine Einstellung des Verfahrens herbeizuführen. Mit zunehmender Verfahrensdauer nimmt diese Chance ab!

Entscheidend ist stets der konkrete Einzelfall. Im Strafrecht gibt es kein 08/15 Schema. Deswegen sollte stets ein Strafverteidiger zu Rate gezogen werden. Der Jurist kennt das Verfahren, und wird dem Beschuldigten eine seriöse Einschätzung zu seinem individuellen Fall geben. Lassen Sie das Recht nicht ungenutzt.

Wird gegen Sie ein Ermittlungsverfahren geführt, kann ich Ihnen aus Sicht eines Strafverteidigers nur empfehlen, rechtzeitig einen qualifizierten Rechtsbeistand zu kontaktieren. Lassen Sie bitte keine Möglichkeit der weiteren Verfahrensmitgestaltung unverbraucht! Das kann gar nicht oft genug wiederholt werden.